Wo beginnt das größte Missverständnis bzgl. Glück?
Es ist ein Unterschied ob uns der Verstand sagt, „wir sind glücklich“ oder ob es uns unser Herz, unsere „Seele“, unser Unterbewusstsein spüren lässt. Es ist ein Unterschied ob uns unser Verstand sagt, „ich habe es geschafft, das Auto zu fahren, das ich immer wollte, das Haus zu bauen, das ich immer bauen wollte, in dem Land zu leben, in dem ich immer leben wollte, eine Frau und Kinder zu haben… ja jetzt ich bin glücklich“, oder ob ich unabhängig dessen was ich geleistet habe, was ich leiste, was ich besitze oder nicht besitze erfüllt bin. Weil ich tiefe Zufriedenheit fühle, Gelassenheit, Ruhe, innere Freiheit… einfach so.
Wenn Menschen über Glück sprechen hört man gerne mal: „da hat jeder seine eigenen Mittel, um sich glücklich zu machen, jeder nach seiner Fasson“. Oder, „Der eine so, der andere so… das kann nur jeder für sich selbst entscheiden“.
Was diese Menschen in diesem Moment meinen, ist die Kompensation von Unzufriedenheit. Das strategische Verdrängen und die ständige, vorübergehende Befriedigung des „Unerfüllt Seins“. Hier hat tatsächlich jeder seine eigenen Ideen und Vorlieben. Wirkliches Glück allerdings, erfüllt sich bei allen Menschen gleich. Für das Erleben von Glück gibt es keine 1000 Wege. Da es nur 1 Naturgesetz für uns alle gibt. Wahres Glück interessiert sich nicht für unsere Vorstellungen oder Ideen von gesellschaftlichen und statusgeprägten Lebensmodellen. Wir alle wollen in Wirklichkeit nur das Eine. Hinter all diesem Kampf, hinter all diesem Rudern um „nach vorne“ zu kommen, hinter all den gesellschaftlichen und weltlichen Bedürfnissen, hinter all dem Verlangen, hinter all dem Streben verbirgt sich nur eins. Die Sehnsucht nach dem Gefühl von „Erfüllt Sein“. Das was uns im wahrsten Sinn des Wortes „vollkommen“ macht. Dieses Gefühl von „es ist alles hier und jetzt enthalten, was mir und allen um mich herum gut tut, uns erfüllt“. Ein Gefühl von „ich bin die Welt und die Welt ist ich“, die Welt steht still, es gibt keinen Grund zu hetzen oder auf etwas zu warten oder zu hoffen. Und es gibt keine Trennung zwischen mir und allem anderen. Das Empfinden von Liebe muss sich nicht erkämpft oder erarbeitet werden, es ist einfach da.
Allein der Wunsch, die Sehnsucht nach diesem Gefühl ist es, die sich hinter der Jagd nach „mehr“ verbirgt.
Erlaube mir einen gewagten Vergleich.
Wir erhalten für einen kurzen Augenblick einen ungefähren Einblick in die Großartigkeit dieser Wahrnehmung, wenn wir Sex haben. Im Moment des Orgasmus erleben wir für ein paar Sekunden, wie es sich anfühlt völlig sorgenfrei zu sein. Frei von Ängsten, frei von Sehnsüchten, frei von irgendwelchem Verlangen, frei von Leid. Das Gefühl von völlig im Hier und Jetzt, in diesem Moment mit allen Sinnen, die uns zur Verfügung stehen anwesend zu sein. Das Nichtvorhandensein von Zeit. Das Gefühl von „eins mit allem“ zu sein, mit „allem was ist“ zu verschmelzen. Dennoch wäre es ein großer Fehler zu glauben, dass wir über Sex, oder sonstige Sinnesfreuden, wahres Glück erfahren können. Auch das ist ein Lebensmodell, das uns gerne von unseren Vorstellungen als Glücksmodell verkauft wird. Der „gute Sex“ als Glücksgarant. Auch hier handelt es sich letztendlich lediglich um Kompensation. Besonders verlockend eben, weil wir für ein paar Sekunden etwas wie das „große Glück“ erleben. Weil für ein paar Sekunden Körper und Geist verschmelzen. Doch ein nachhaltiges kultivieren von tiefer, bedingungsloser Zufriedenheit, von Glück ist darüber nicht möglich. Paradoxerweise fast im Gegenteil. Denn wenn wir uns in dieser Befriedigung verlieren, verlieren wir uns in der Körperlichkeit. Da wir aus Körper und Geist bestehen, kann es also letztendlich kaum zu einem Gefühl von „Erfüllt Sein“. führen. Es ist was es ist. Eine kurze körperliche Befriedigung, nicht mehr und nicht weniger. Ist uns das bewusst, ist alles gut.
Was können wir nun tun, um wahres Glück zu kultivieren. Die wichtigste Voraussetzung, nach der Erkenntnis, dass wir derzeit noch nicht wirklich glücklich sind, ist das Zusammenführen von Körper, Geist und Gegenwart. Nur wenn dieses „Dreigespann“ in unser tägliches Leben einzieht, entsteht die Wahrnehmung dessen, was wir Glück nennen. Das achtsame Wahrnehmen unseres Körpers und Handlungen, das introspektive Beobachten unserer geistigen Verfassung und Regungen plus die völlige Anwesenheit im gegenwärtigen Moment. Möglichst nicht nur während der Meditation, sondern auch im Alltag (soweit möglich).
Der Yoga-Übende erfährt in der Regel lediglich während seinen Übungen ein glückliches Gefühl bzw. ein Gefühl von Freude. Danach zehrt er von diesem Erlebnis bis der Akku wieder leer ist. Die nachhaltige Wirkung ist hier eher gering. Er konzentriert sich meist nur während seinen Übungen auf die bewusste Wahrnehmung von Körper und Geist im gegenwärtigen Moment (Was bei Meditierenden natürlich auch vorkommt). Er praktiziert mit einem Verständnis, das davon ausgeht, dass allein die körperliche Übungsstunde dazu da ist, um diese drei Faktoren zusammenzuführen. Diese Praxis erreicht eine wohltuende Auszeit. Die nachhaltige Bewusstseinserweiterung, die notwendig ist, um dauerhaft Glück zu erfahren, stellt sich über Yoga (da sehr körperorientiert) eher selten ein.
Ausnahmslos jeder Mensch trägt den Schatz, der ihn zur Befreiung, also zum Glück führt, von Geburt an mit sich herum. Nur wissen es die Wenigsten. Und dabei ist es genau der Schatz, von dem so viele glauben, sie müssten mit harter Arbeit und Entbehrungen darum kämpfen. Wie ein Goldsucher der mit Hacken, Schüsseln und Sieben aus purem Gold nach Gold schürft. Er ist so mit der Arbeit des Goldschürfers beschäftigt, dass er nicht auf die Idee kommt genau hinzusehen. Dass er das, nach dem er schon so lange sucht, längst mit sich herum trägt.
Andere haben längst aufgegeben und glauben nicht wertvoll genug zu sein für dieses Privileg. Beide Haltungen lehnen das Vorhandensein der Fähigkeit, bereits Glück empfinden zu können, ab. Diese Haltung alleine macht es Menschen so unglaublich schwer die ersehnte tiefe Zufriedenheit, Erfüllung, Liebe, Glück ohne, dass etwas von außen dazu notwendig wäre, zu empfinden. Und so trösten sich die einen mit immer schnelleren und noch teureren Autos, Schmuck, Kosmetik, Hobbies, Reisen, Erfolg und Reichtum – mit relativ kurz anhaltender Wirkung – darüber hinweg und die andern baden sich in Selbstmitleid und Verzweiflung.
Nur ein geringer Teil schaut genau hin.